Jens Martin Neumann, Galerie Lüth, 2010

Das große Thema Claus Lindners ist der menschliche Körper. Sein gesamtes Werk — egal ob in Skulptur, Zeichnung oder Grafik — kreist im Fokus eines klar bildhauerischen Blicks um Bilder humaner, dabei existenziell aufgefasster Leiblichkeit. Die Bronzestatuen zeigen das sichere physiognomische wie psychologische Erfassen der menschlichen Gestalt und — bei höchster technischer Qualität — ein selbstverständliches Auffinden des Leibes im Material, kurz: eine wissende modellierende Hand. Seine Plastiken besitzen Ruhe, abgewogenes Gleichmaß, edle Konturen und eine zarte Eleganz. Während ältere Bronzen stärker blockhaft kubisch und geometrisch kantig, also deutlich abstrakter ausfallen und raue, zerklüftete, in rohe Schollen gebrochene Oberflächen aufweisen, wird der Körper in den jüngsten Arbeiten straffer, dabei fließender und weicher wiedergegeben, gewinnt sowohl an räumlicher Tiefe und natürlichem Volumen als auch an fleischlicher Fülle und haptischer Prägnanz. Haut, Fett und Muskeln zeichnen sich nun stärker ab, zugleich treten fein beobachtete, lebensnahe Körperbewegungen aus älterer artifizieller Verblockung heraus.

Dabei „posen“ seine Figuren nicht, wichtigstes Motiv ist hier das variantenreiche vollplastische Stehen des einzelnen Menschen, also das Standbild in engstem Sinne von Statue. Fest am Boden verwurzelt und körperhaft rund modelliert, wirken sie wie zufällige Schnappschüsse in lockerer freier, eben ganz normaler, weil ungeschönter Haltung fern jeder ästhetischen Konvention, die sehr bescheiden nur einen kleinen Wirkungsraum beanspruchen. In ruhigen ausgewogenen Kompositionen bis hin zum klassischen Kontrapost und einer zwingenden Klarheit der leiblichen Erzählung sind die Körper in sanften Schwüngen aus- und einwärts gebogen, in eher kleinen Bewegungen also, in denen eine stille graziöse Verhaltenheit ohne aufdringliche Dramatik liegt.

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